Fiktion 2008

Einleitung

Wie sich Grindelwald im Jahr 2030 also 22 Jahre nach dem Verfassen dieses Textes präsentiert, wird nur die Zukunft beantworten können. Selbst Bundesrat Moritz Leuenberger sagte mir auf Anfrage, es sei eigentlich gar nicht möglich eine Prognose über einen solch langen Zeitraum abzugeben. Trotzdem bin ich sicher, dass auch Sie sich manchmal Gedanken machen und sich vorstellen, was so alles in den nächsten Jahrzehnten auf ihren Lebensraum zukommen wird. Basierend auf Prognosen, Studien, Zukunftsperspektiven und weiter entwickelten Gedanken entstanden die folgenden Kapitel. Jedem Themenkreis habe ich einen Abschnitt gewidmet, wobei einzelne Voten mehrmals erwähnt werden, weil sie einen übergreifenden Bezug haben. Dass auch fast Undenkbares über Nacht Wirklichkeit werden kann, zeigen 9/11, die Krise, heftige Naturereignisse oder politische Veränderungen. Viel Spass beim Lesen und wie gesagt: Feedback ist willkommen!

Männlichen

Ein Blick in den Eventkalender 2030 zeigt, dass im November die Jungfrau International Holding das zwanzigjährige Jubiläum der neuen Gondelbahn Grund-Männlichen feiert. 5 Jahre zuvor wurde die Gondelbahn via Wengen bis hinunter nach Lauterbrunnen erweitert. Weil die Gondeln der neuen Bahn unterirdisch in die Bergstation einfahren, konnte trotz höherer Kosten eine landschaftsschonendere Variante durchgesetzt werden. Die Fahrzeit von Lauterbrunnen oder Grindelwald-Grund auf den Männlichen beträgt knapp 20 Minuten. Die vollautomatische Bahn funktioniert wie ein Lift ohne Personal und läuft zwischen Lauterbrunnen und Wengen sogar im 7x24 Stunden Modus. Früher war man es nur im Lift gewohnt, ohne Personal öffentlich befördert zu werden. Wie sich doch die Zeiten ändern. 

Als Besonderheit ist jede der komfortablen 8er-Gondeln im Bodenbereich mit einem werbefinanzierten Panel ausgestattet, das abwechselnd Filme über die Region, Wandervorschläge und Ausrüstungstipps der örtlichen Sportgeschäfte zeigt. Die eingebaute Kamera gewährt dem Gast wie bei einem Glasboden einen weiten Blick in die Tiefe.

Im Sommer führt eine Minieisenbahn des Bahnclubs Heimwehfluh von der Bergstation bis knapp unter den Männlichengipfel. Im Winter betreibt der gleiche Seniorenverein ein Funi, so wie es früher zwischen Grindelwald und dem Bodmi verkehrt ist. Für die Rentner, welche den Betrieb hervorragend sicherstellen, ist es eine ausgezeichnete Möglichkeit lang gehegte Bubenträume zu verwirklichen. Die Tourismusorganisationen haben die Auswirkungen der Demographie rechtzeitig erkannt und die Angebote auf die mit Abstand grösste Kundengruppe der 55 - 85 Jährigen ausgerichtet. Auch viele Oberländer Unternehmungen haben gelernt, Rentner aktiv in die Unternehmung zu integrieren. Älteren Menschen wird so auf freiwilliger Basis eine Bereicherung Ihres Lebens geboten, wovon schliesslich alle profitieren. Manche dieser Services wären ohne die Rentnerinnen und Rentner mittlerweile gar nicht mehr anders finanzierbar. Die Idee ältere Mitmenschen auf freiwilliger Basis in den Tourismus einzubinden, stammte ursprünglich aus den USA und wurde 2015 in Europa erstmals in Grindelwald umgesetzt.

Masterabo und Sommerbetrieb

Als letzte Topdestination der Alpen wurde vor ein paar Jahren auch in der Jungfrauregion das ganzjährige Jungfrauabonnements für alle eingeführt. Einst reine Wintersportbahnen wie Oberjoch, Lauberhorn, Schiltgrat und Faulhorn erreichen nun auch im Sommer kostendeckende Frequenzen. Für die zahlreichen Gleitschirmpiloten bedeutet dies, dass sie ganzjährig viele komfortable Startplätze zur Verfügung haben und sich der ansonsten schon dichte Flugbetrieb besser verteilt. Eine vergünstigte Variante dieses Masterabos wird auch von den Einheimischen und den Chalet-Besitzern, resp. Dauermietern sehr geschätzt. Enorm positiv hat sich diese Massnahme auf die Bergrestaurants ausgewirkt, weil nun viel mehr Gäste auch an wettermässig schlechteren Tagen auf den Berg fahren. Heute können sich die verantwortlichen Bahnbetreiber nicht mehr erklären, warum man erst als letzte der Topdestinationen im Alpenraum draufgekommen ist, solche Abonnemente anzubieten. Das persönliche Masterabo bietet ganzjährig freien Zugang zu allen touristischen Angeboten (Transportbetriebe, Attraktionen, Freizeitanlagen, Kultur, Museen) und ist via Erweiterung im ganzen Berner Oberland gültig. Sogenannte Flatrates sind mittlerweile in fast allen Bereichen zur Selbstverständlichkeit geworden.

Neue Seenlandschaft

Im Männlichengebiet fällt am meisten die malerische Seenlandschaft Wasserwendi und Läger auf. Nach mehreren Überflutungen 2010 und 2014 von Burglauenen und Lütschinental hat man selbst in Bern begriffen, dass es besser sei, bei den häufigeren Superniederschlägen das Wasser vom östlichen Männlichengebiet schon auf Wasserwendi und Läger in Form von kleinen Seen zurückzuhalten. Als Nebeneffekt haben es die angenehmen Temperaturen im Sommer ermöglicht, ein alpines Freibad einzurichten. Ein Problem gabs mit den ziemlich zutraulich gewordenen  Murmeltiere, welche sich wegen dem zusätzlichen Futterangebot der Besucher zu stark vermehrt haben. Weil der Gletscherschwund seit bald 50 Jahren immer noch anhält, werden die künstlichen aber sehr natürlich gestalteten Seen zunehmend als Süsswasserreservoirs wichtig. Noch dienen die Männlichenseen vorallem der künstlichen Beschneiung.

  Bodensee Grindelwald
Bild: Manfred Braun - Montage: Ralf Leithaus

Der grösste der neuen Seen, der Bodensee von Grindelwald, liegt im Boden zwischen der Männlichen-Talstation und dem Ertli. Er verleiht dem Tal seit 2020 ein markant neues Gesicht. Einer der schönsten Campingplätze der Welt grenzt direkt an den See und bietet am südlichen Seeufer einen tollen Sandstrand. Immer wieder beeindruckt sind die Sommertouristen von der Kombination Sandstrand mit Eigernordwandblick. Extrem beliebt sind der Rundweg und das zum Fischrestaurant umfunktionierte Strandcafé Bodenwald. Manchmal beobachtet man sogar Windsurfer und Kiter, die im Sommer den verlässlich starken Talwind nützen. 

Im Winter, wenn es während einigen Wochen kalt genug ist, kann man auf dem Bodensee sogar Schlittschuhlaufen, Eissegeln oder einfach bei einem Spaziergang die tolle Stimmung geniessen. Der See wurde primär so angelegt, dass er als sicheres Rückhaltebecken bei starken Niederschlägen oder abrupt auslaufenden Gletscherseen dient. Dank dieser Massnahme ist das Kulturland unterhalb Schwendi besser vor Hochwasser geschützt. Die Lütschine wurde insofern verändert, dass sie nun im Bereich Erlenwald genügend breit und tief ist, Hochwasser ohne zu überschwemmen bis zum Grindelwaldner Bodensee zu führen. Vor dem Bau des Sees wurde das Kulturland praktisch jedes zweite Jahr überschwemmt und war wegen dem Geschiebe als solches kaum noch zu nutzen. Der Verlust an Kulturland konnte teilweise kompensiert werden, da die Bauern 2030 höhere Lagen als noch vor 20 Jahren bewirtschaften können.

Künstliche Beschneiung

Im Winter hat man sich längst an die weissen Schneebänder der Talabfahrten gewöhnt. Unter rein natürlichen Bedingungen könnten die beliebten Talpisten kaum mehr bereitgestellt werden. Schnee ist eben auch 2030 nur durch Schnee zu ersetzen. Die Wasserspeicher dienen auch der Stromherstellung, was angesichts der boomenden Elektroautos wirtschaftlich sehr rentabel geworden ist. Ein grosser Teil des Energieaufwands zur Schneeherstellung wird auch selber produziert, sowohl mit Wasserkraft als auch mit Solar- oder Windenergie. Wirtschaftlich interessante Minergie-Kühlsysteme mit ausschliesslich umweltverträglichem Kühlmittel sorgen für leicht gekühlte Flächen und zusammen mit den stark optimierten Schneemaschinen ermöglichen die Talpisten von November bis März für gute Verhältnisse im Wintersport. Die Schneemaschinen erzeugen je nach Bedarf eher trockenen Schnee für die Pisten, welcher kaum Eisplatten bilden kann. Leicht angefeuchteter Kunstschnee benötigt man zum Bauen der Rodelbahnen oder zur Absicherung von Gefahrenstellen. Nebst der künstlichen Beschneiung wird zum Beispiel Schnee unterhalb der Salzegg über den Sommer eingelagert und im Oktober wieder als perfekte Unterlage bei der Pistenpräparierung verwendet. Der Vorteil liegt darin, dass Altschnee selbst bei Plustemperaturen wieder verarbeitet werden kann.

Männlichen Rodel Racetrack

Seit 2020 besteht eine tolle und sichere Rodelbahn vom Männlichen bis in den Grund, die jeden Winter wie eine breite Bobbahn erstellt wird. Die Idee stammte übrigens aus Dubai, wo 2032 die olympischen Winterspiele stattfinden werden. Auf der Männlichen-Rodelbahn wird jede Wintersaison ein Weltcup durchgeführt, der von den Hauptmedien live übertragen wird. Die perfekt angelegte Rodelbahn bietet auf ihren 3 Spuren Anfängern wie Profis ein super Erlebnis. Seit der untere Bereich wie die Skipisten gekühlt wird, hat die Nutzung so stark zugenommen, dass eine weitere Spur gebaut wird. Im Sommer sieht man von den Rodelbahnen praktisch nichts und erfüllt so die Auflagen des Landschaftschutzes.

Angebot und Vermarktung - EWAP - Trendsportarten

Grindelwald hat sich gegen Ende der Zwanzigerjahre zum Topspot im weltweiten Ranking der alpinen Premium-Destinationen entwickelt. Dies gelang aufgrund der massgeschneiderten Angebote für anspruchsvolle Gäste, der technisch hervorragenden Infrastruktur, der nach wie vor phänomenal schönen Landschaft und einer idealen Struktur der einheimischen Bevölkerung. Begünstigt oder erst möglich machte dies der Zusammenschluss der Tourismusorganisationen in der ganzen Jungfrauregion inklusive Interlaken und einer Partnerschaft mit Haslital. Das erfolgreiche Marketing im globalen Markt und die exklusive Angebotspalette führten schliesslich zu praktisch ganzjähriger Hochsaison. Das quantitativ limitiert wirkende Gesamtangebot wurde exakt auf die jahreszeitlichen Unterschiede optimiert, was zu einer durchwegs hohen Auslastung der Hotellerie, Ferienwohnungen und Bahninfrastruktur geführt hat.

Stichwort EWAP: Finanziell ist es für Ferienimmobilienbesitzer ohne Steuersitz in der Region aufgrund der Lenkungsabgaben für unbenutzten Wohnraum kaum mehr tragbar, Lokalitäten über Monate einfach leer stehen zu lassen. Deshalb haben sich viele Besitzer entschlossen, das Angebot der Gemeinde anzunehmen und ihren Steuersitz in die Steueroase Grindelwald zu verlegen. Der Anteil an von Einheimischen bewohntem Wohnraum konnte Dank dem neuen Steuerreglement stark erhöht werden. Mitgeholfen haben auch zusätzliche Anreize wie das vergünstigte Masterabo, welches während 12 Monaten freien Zugang zu praktisch allen Tourismusangeboten der Jungfrauregion gewährt. Das Masterabo kann ins GA oder Halbtaxabo integriert werden. Dabei spielt es keine Rolle, wann im Jahr die Karte gelöst wird. Die Bergrestaurants beobachten, dass seit Einführung des Masterabos deren Inhaber vermehrt eigene Gäste einladen um ihnen die Gegend persönlich zu zeigen, weil sie selber für die Benutzung der Bergbahnen nicht mehr extra bezahlen müssen.

Im Männlichengebiet hat man die Angebote im Trendsportbereich stark ausgebaut. Der Erfolg basiert auf der sorgfältigen Einteilung in Actionsport und sog. Chillout-Zonen. Ein Hit sind die "Männlichen Downhills", wo man in der schneelosen Zeit mit dem Sommerrodel, Mountainboard, Mountainbike oder Mountainskater auf der gesicherten Männlichenstrasse runtersausen kann. Den Himmel teilen sich wie früher die Gleitschirmpiloten mit den Bartgeiern, Adlern, Dohlen und ab und zu mit den sehr leise gewordenen Helikoptern. Klassische Deltapiloten sieht man übrigens kaum mehr. Der Rückgang beruhte auch darauf, dass immer weniger Bahnen technisch in der Lage waren, die sperrigen Gleiter zu transportieren. Dafür haben sich die Paraglider laufend weiterentwickelt. Kaum eine Sportart wie Gleitschirmfliegen wird von einer derart breiten Anhängerschaft ausgeübt. Praktisch alle Altersklassen zwischen 14 bis weit über 80 sind in diesem Sport vertreten. Die typische Ausrüstung wiegt um die 10 kg. Ein Standardmodell fliegt ohne Beschleuniger zwischen mit 25 und 50 km/h, hat Gleitzahl 1:10 und ein Mindestsinken von knapp 1 m/s. Die Jungfrauregion hat ihre Spitzenposition der weltweit besten Gleitscharmarenen klar behauptet. Im Sommergeschäft erreichen die Piloten bei den Bergbahnen einen Anteil von gegen 20 %. Dass die Bahnbetreiber ganzjährig die Start- und Landeplätze unterhalten, ist natürlich so selbstverständlich geworden wie sie das für die Wanderwege und Wintersportpisten schon lange gemacht haben.

Cybersports

Genauso wie sich 2008 viele das Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen konnten, sind 2030 alle und alles miteinander vernetzt. Das Internet steckt mittlerweile sogar in den Skibindungen. Einen regelrechten Boom lösten die Micromindbeams aus. MMB's sind kleinste Projektoren und Sensoren, welche in alle Arten von Brillen eingesetzt werden. Die beiden Micro-Projektoren präsentieren dem Menschen gezielte Informationen wie ein Headup-Display. Der Mensch steuert das System über seine Gedanken. Die Sensoren im Ohrenbereich übertragen die Anweisungen an ein Gerät, das früher Handy genannt worden ist. Der Benutzer verlangt zum Beispiel die Information, wo sich seine Kollegen im Gebiet aufhalten. Das System erkennt den Wunsch, holt sich die Koordinaten der Kollegen und zeigt sie dem Benutzer auf einer dreidimensionalen Karte. Die Karte sieht der Benutzer durch die Brille wie ein grosser, leicht transparenter Bildschirm. Auf diese Weise funktionieren heute die meisten Dienste, welche auf geografischen Daten basieren. Fluginstrumente, Kollisionswarner aller Art, Wetterinformationen, Online-Wanderführer und Kommunikationsdienste setzen auf MMB's. Die nächste Entwicklungsstufe enthält auch 2 Microcameras und erweitern die Funktionalität nochmals markant. Ach ja, den Strom beziehen die elektronischen Helferlein aus den Textilien, sei es via Solarflächen, Reibung oder Wärme des Trägers. Funktionale Sportbekleidung, die den Menschen nach Bedarf wärmt oder kühlt, gibt es schon seit ein paar Jahren.

Und die Gletscher?

Die einst bange Frage, ob es denn im Jahr 2030 in Grindelwald noch Gletscher gäbe, darf mit einem klaren JA beantwortet werden. Der Rückzug der Gletscher geht zwar unaufhaltsam weiter und die Archäologen haben alle Hände voll zu tun, laufend die von den Gletschern freigegebenen Objekte zu untersuchen. Das Sommerpanorama mit den weissen Gipfeln präsentiert sich aus der Ferne nach wie vor im bekannten Bild: saftiges Grün, dunkle Wälder, grauer Fels, weisse Gletscherfelder und blauer Himmel. Die Eigernordwand zeigt sich etwa jeden zweiten Sommer während ein paar Wochen eisfrei, so wie das 2003 erstmals der Fall war. Hochalpine Bergtouren müssen wegen dem auftauenden Permafrost viel genauer geplant werden, was sich dank technischer Unterstützung durch die Sammlung, Auswertung und Beobachtung unzähliger Parameter massiv verbessert hat. Die lokalen Wetterprognosen sind viel genauer als noch vor 25 Jahren. Die starke Zunahme an Unfällen in den 10-er Jahren hatte zur Folge, dass die Versicherungen nicht länger bereit waren, die Unfallkosten vorbehaltlos zu tragen. Seit einigen Jahren ist es zum Beispiel verboten, ohne entsprechende Vorbereitung ungesicherte Bergtouren oberhalb 3000 m zu unternehmen. Dafür stehen den Alpinisten jederzeit aktuelle Informationen zur Verfügung, die Route den Verhältnissen entsprechend zu planen. An heiklen Stellen wurden ausserdem sichere Unterstände eingerichtet, die Schutz vor Steinschlag und plötzlich auftretenden starken Niederschlägen bieten. Stark am Rückgang der Unfälle beteiligt waren auch die bestens ausgebildeteten Bergführer, ohne die praktisch keine Hochtouren mehr unternommen werden.

Klima

Die zweite Klimaerwärmung der Neuzeit (Die erste fand vor gut 600 Jahren im Mittelalter statt) liess die durchschnittliche natürliche Schneegrenze mittlerweile auf 1800 m ansteigen. Im Winter erleben wir einerseits massive Temperaturwechsel (Wärmeeinbrüche) und anderseits enorme Schneemengen, aber auch total verregnete Wochen. Allgemein bilden die lokal oder regional enorm starken Niederschläge die grössten Risiken. Deshalb mussten an vielen Orten Rückhaltebecken in Form von sorgfältig in die Landschaft integrierten Seen gebaut werden. Grindelwald bietet deshalb eine ganze Reihe an neuen Seen wie zum Beispiel unterhalb des Männlichen, einen grossen See beim Camping im Grund und Seen in höheren Lagen wie unterhalb der früheren Stieregg, des Oberjoch und auf der Bussalp. Viele der neuen Seen dienen als Wasserspeicher für die Schneebeschneiung und in Zukunft als Trinkwasserreserve, wenn die Gletscher sich wie vor rund 600 Jahren auf ein Minimum zurückgebildet haben. Dank mit Sonnenenergie gekühltem Fels konnte das Auftauen des Permafrosts am Jungfraujoch gestoppt werden. Die Gebäude sind somit wieder sicher verankert und auch optisch sehen die Eiswände unterhalb des Jochs einfach schöner aus als aufgetaute Schutthalden.

Auswirkungen des wärmeren Klimas

Die Klimaerwärmung wirkt sich sowohl negativ (Rückgang der Gletscher, höhere Schneefallgrenze, stärkere Niederschläge, Auftauen des Permafrosts, Rüfen, Steinschlag) als auch positiv (angenehme Temperaturen im Sommer, üppigere Vegetation in höheren Lagen, stärkere Niederschläge im Winter) aus. Im Sommer ist es am Mittelmeer fast unerträglich heiss (monatelang über 40 Grad) und die Probleme mit der Wasserqualität (Algen, Quallen, unangenehme Gerüche) sind allgegenwärtig. Da am Mittelmeer selbst während der Nacht hohe Temperaturen herrschen, können die Gäste nicht mehr richtig schlafen (entweder heiss oder ungesunde Klimaanlagen) und bleiben diesen einst boomenden Regionen im Sommer fern. Durch die hohen Treibstoffpreise und die knapper gewordenen Geldmittel sind Langstreckenflüge für viele Europäer und Amerikaner zunehmend unerschwinglich geworden. Davon profitieren jene Destinationen in den Alpenregionen, welche den Trend rechtzeitig erkannt haben und ihre Angebote für das grosse Gästesegment der einstigen Mittelmeertouristen optimiert haben. Die starke Zunahme der Gäste aus arabischen Ländern ist ebenfalls eine direkte Folge der Klimaerwärmung. In den Emirates übersteigen in den Sommermonaten die Temperaturen durchwegs die 50 Grad Marke, wodurch selbst den Einheimischen die Lust vergeht, sich ständig nur noch in klimatisierten Räumen aufzuhalten. 

Dank der Sommerfrische geniessen die Gäste tagsüber die angenehm warmen Temperaturen und schätzen die natürliche Abkühlung während der Nacht. Jene Gäste, welche nicht die Nacht in einem der örtlichen Clubs verbringen, freuen sich zum Beispiel auf einen beschaulichen Morgenspaziergang der Lütschine entlang. Endlich gelang es vor ein paar Jahren sich mit den Bauern im Grund zu einigen, den beidseitigen Uferweg der Lütschine entlang und um den Bodensee zu erstellen. Die Klimaerwärmung hat für die Bauern bis jetzt auch viele positive Auswirkungen gehabt. Die Erträge fallen höher aus und die nutzbare Fläche nimmt durch die steigende Waldgrenze langsam aber stetig zu. Die Bauern haben nach den WTO-Abkommen rasch hinzugelernt, mit neuen Möglichkeiten des Marketings ihre hochwertigen Produkte gewinnbringend (Herkunftsnachweis AOC Jungfrauregion) zu verkaufen. Ausserdem erhalten sie spezielle Zuschüsse, weil sie mit ihren Aktivitäten massgeblich zum Erhalt der intakten Landschaft beitragen.

die Jungfraubahnen

Der als Folge der Weltwirtschaftskrise stark nachlassende Besucherstrom aus den fernen Ländern, aber auch aus Europa liessen die Aktien der JB dermassen in den Keller sausen, dass auch dieses einst unabhängige Schweizer Unternehmen 2019 von einer asiatischen Konzerngesellschaft praktisch übernommen worden ist. In der Schweiz hat man sich ohnehin daran gewöhnt, dass sich die meisten Grossunternehmen mittlerweile im Besitz multinationaler Investitionskonglomerate befinden. Aufgrund der günstigen klimatischen Bedingungen, der politischen Stabilität und der tiefen Steuern wohnt ein Grossteil des Firmenkaders dieser Konzerne in der Schweiz. Mit jeder neuen Generation reduzieren sich die kulturellen Unterschiede, was die Gesellschaft viel rascher verändert als man es noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten hat.

Gesellschaftliche Veränderungen

Zum Beispiel die Muslime werden absehbar die stärkste einzelne Religionsgruppe bilden und damit die Evangelisch Reformierten und Katholiken einzeln betrachtet überholen. In den meisten Städten Europas gibt es Moscheen. Immerhin unterscheiden sich die hiesigen Islamiten bezüglich Ausübung ihrer Religion gegenüber früher stark. Von Fanatismus oder übertriebenem Missionieren ist offensichtlich nichts zu sehen und verhüllte Frauen sind fast ausnahmslos Touristinnen. Auch die Stellung der Frau, früher zentraler Bestandteil der Islamkritiker, hat sich auch aufgrund der demografischen Veränderungen und der immer mehr vermischten Gesellschaft stark verändert. Zudem verzeichnen alle Religionen allgemein seit Mitte der 10-er-Jahre eine stetige Zunahme, was auf die starken Veränderungen wie Völkerwanderungen (Migrationen), längere rezessive Phasen, deutlich höheres Durchschnittsalter der Bevölkerung und auch die erlebten Folgen der Klimaveränderung zurückzuführen ist. Toleranz und Integration haben Abschottung und Fanatismus komplett verdrängt. Interessant ist, dass die zweite Generation dieser Einwanderer den Winter und damit alle die für ihre Eltern noch unbekannten Sportarten entdecken und diese mit viel Enthusiasmus betreiben. Für den alpinen Tourismus ist es lohnenswert, sich dieser stark wachsenden Bevölkerungsgruppe anzunehmen.

Demografie und gesellschaftspolitische Folgen

Die These dass „wenige Kinder noch weniger Kinder haben werden“ bewahrheitete sich trotz des Zustroms von Ausländern in krasser Weise. Das wirtschaftlich anspruchsvollere Umfeld hat den kleinen Babyboom vor 20 Jahren ziemlich jäh gestoppt. Mittlerweile sind gut zwei Drittel der Bevölkerung in der Schweiz über 50 Jahre alt. 28 % sind über 65, 56 % zwischen 20 und 64, das Verhältnis Rentner:Arbeitende steht bei 1:2. Trotz moderner Medizin wird ein Schweizer trotzdem durchschnittlich "nur" 86, weil sich Bewegungsmangel, Distress, Übergewicht und falsche Ernährung nach wie vor lebensverkürzend auswirken. Die grosse Gruppe der 50-80 Jährigen bestimmt dank ihrer zahlenmässig überragenden Präsenz und der verfügbaren Mittel die Politik (Abstimmungen, Wahlen), die Wirtschaft (Märkte), die Kultur (Medien) und natürlich den Tourismus. Weil diese Effekte im Rahmen der Menschheitsgeschichte in dieser Art erstmals auftreten, muss die Gesellschaft laufend neu lernen, jetzt mit diesem Phänomen umzugehen. Das extrem höhere Durchschnittsalter der Völker in Europa, Amerika, China, Japan, Korea und Australien sorgt für ein tendenziell friedvolleres Zusammenleben. Etwas weniger erfreulich und besonders ungewohnt in Friedenszeiten steigt die Anzahl der Todesfälle an. Dieser Trend, den die Schlagzeilen "das grossen Sterben" nennen, wird in den nächsten Jahren noch stark ansteigen und abgesehen von Epidemien oder globalen Naturkatastrophen in 15 Jahren das Maximum erreichen. Parallel dazu findet eine grosse Konzentration von Vermögen statt. Die geburtenstarken Jahrgänge hinterlassen den verhältnismässig wenigen Kindern ihr Vermögen, was für die Gesellschaft ebenfalls Veränderungen und Herausforderungen bietet, wofür die Geschichte keine Antwort kennt.

Ganz anders sieht es in den arabischen Ländern und in Afrika aus. Das Aggressionspotenzial der viel jüngeren Bevölkerung und der damit verbundene Religionsfanatismus finanziert durch reiche Rohstoffvorkommen sorgen für ein ständiges Risiko für Krieg und Terrorismus. Gemässigte Bevölkerungsteile mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten zieht es anderseits immer mehr nach Europa. Eines der grössten Probleme in arabischen und nordafrikanischen Regionen bildet das knappe Vorhandensein von Trinkwasser. Durch die Klimaveränderung breiten sich die Wüstengebiete weiter aus und wenn mal Regen fällt, dann fast sintflutartig. In vielen Regionen haben sich die durchschnittlichen Ernteerträge massiv verringert und die ständige Bedrohung durch Hungersnot blockiert die Volkswirtschaft dieser Regionen. Die Auswirkungen führen zu enormen Völkerwanderungen, wofür es in Europa auch 2030 kaum andere Lösungen als die Abschottung gibt. Immerhin wird die von Europa geförderte Entwicklung der ans Mittelmeer angrenzenden Regionen Afrikas als nachhaltig positiv beurteilt. Als Folgeeffekt beginnen nun die vom wirtschaftlichen Aufschwung profitierenden nordafrikanischen Mittelmeer-Regionen sich gegen den Druck aus Süden abzuschotten. Für Europa bringt das etwas Entlastung, doch das grundsätzliche Problem bleibt bestehen.

Verschiedene Faktoren wie steuerliche Vergünstigung, angenehmes Klima und perfekte Angebote haben in Grindelwald den Anteil älterer Einwohner zusätzlich erhöht, was sich aber keinesfalls als Nachteil entwickelt hat, im Gegenteil. Die im Seniorenalter angelangten Babyboomer sind sehr aktiv, auch politisch und prägen die Entwicklung viel stärker als ihre Vorgängergeneration.

Herkunft der internationalen Touristen

In der Jungfrauregion verzeichnet man gegenüber früher einen viel höheren Zustrom von Besuchern aus dem arabischen und indischen Raum. Auch die Chinesen sind omnipräsent und haben die Japaner längst überholt. Der Einfluss der Chinesen, Inder und Araber in der Jungfrauregion ist allgegenwärtig und manche vergleichen die Entwicklung sogar mit jener der Deutschen auf Mallorca. Dies führt zuweilen auch zu Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung, welche sich in ihrer Sprache, Kultur und ihrem Lebensraum bedroht sieht. Allerdings wissen die Investoren und Politiker wie wichtig die Rolle der einheimischen Bevölkerung ist und tun alles, damit allfällige Konflikte rasch und gütlich geregelt werden können. Immer mehr Menschen aus reichen arabischen Ländern verbringen einen grossen Teil des Sommers in ihrer Ferienresidenz oder in einem der Tophotels in Grindelwald und entgehen damit der auch für sie fast unerträglich gewordenen Sommerhitze. Dies ist auch eine Folge der Klimaveränderung. Die Gäste aus Europa bilden im Winter natürlich nach wie vor die grösste Bevölkerungsgruppe. Nicht zu vergessen sind die Nordamerikaner, welche Europa nach dem Abklingen der ausserordentlich langen rezessiven Phase vor gut 15 Jahren wieder als Feriendestination zu entdecken begannen.  

Der grosse Innovationsschub nach der Krise

Wie schon früher waren es auch vor gut 10 Jahren vermögende Auswärtige, welche epochale Innovationen im Tourismusbereich auch unter Ausnutzung einer wirtschaftlich schwachen Phase durchsetzten und mit grossen Investitionen die Destination Jungfrauregion weiter entwickelt haben. Die Region Interlaken-Mürren-Wengen-Grindelwald zählt 2030 weltweit zu den Topten der Tourismusregionen. Das gemeinsame Zusammengehen „wo es Sinn macht“ verlangte natürlich eine Menge an Kompromissbereitschaft, wobei auch die zu Beginn schwierige wirtschaftliche Situation die Entwicklung ziemlich beschleunigt hat. Frühere Beispiele solcher Entwicklungen waren die weltweit erste touristische Seilbahn aufs Wetterhorn (es blieb bei der ersten Sektion), die Bahn auf die Jungfrau (realisiert bis aufs Jungfraujoch) oder die als beliebte 007-Requisite gebaute Luftseilbahn aufs Schilthorn. Die weiteren Kapitel berichten, wie sich die Tourismusinfrastruktur der Jungfrauregion aufs Niveau der World's Topten entwickelt hat.

Kalte Betten

Vor 23 Jahren beschäftigte vor allem die Gemeindeverwaltung von Grindelwald das Problem EWAP. Mit EWAP wollte die Gemeinde unter anderem monatelang leer stehende Ferienwohnungen verhindern. Selbst der Kanton musste sich mit dem EWAP-Problem befassen. Viele der festgestellten Mängel waren aber praktisch nicht mehr zu beheben, weil zu lange nichts dagegen unternommen worden ist. Mit einer ganzen Palette an Massnahmen konnten aber sämtliche diesbezüglichen Probleme gütlich gelöst werden. Viele Zweitwohnungsbesitzer zahlen nun einen erheblichen Teil ihrer Steuern in der Gemeinde Grindelwald oder haben aufgrund der massiv gesunkenen Steuersätze ihren Wohnsitz gänzlich nach Grindelwald verlagert. Umgekehrt sind leerstehende Ferienwohnungen für ihre Besitzer aufgrund der hohen Lenkungsabgaben sehr teuer und damit seltener geworden. Das Modell der professionellen Ferienwohnungsvermittlung wie jenes von Griwarent, welches vor 25 gestartet worden ist, hat sich extrem gut bewährt und gibt vielen Besitzern genügend Vertrauen, ihre Immobilien während ihrer Abwesenheit kurzfristig zu vermieten. Demographiebedingt wohnen aber immer mehr Besitzer fast ganzjährig in Grindelwald, wodurch freie Ferienwohnungen ständig rarer werden.

Der Bauboom hat sich im Vergleich zu früher stark verändert, weil die bestehenden Reserven an Bauland kaum mehr erweitert worden sind. Man hat bewusst darauf geachtet, nicht denselben Fehler wie die Ferienstädte Zermatt, St. Moritz oder Davos zu machen. Dafür lösten optisch ins Bild passende Neubauten unschöne Altbauten ab, wodurch mit der Zeit auch die Bausünden aus alten Zeiten endlich verschwanden.

Weil das Angebot für Ferienwohnungsbesitzer und Dauermieter tarifmässig attraktiver geworden ist (vergünstigtes Jahresabonnement für alle touristischen Einrichtungen), verbringen die Besitzer oder Dauermieter viel mehr Zeit in ihren Feriendomizilen als dies früher der Fall war. Viele Pensionierte beteiligen sich zudem an der Gästebetreuung und zeigen den Besuchern je nach Sprachkenntnissen auf individuelle Art die leichter zugänglichen Sehenswürdigkeiten der Region. Dieser Service kommt bei den Gästen sehr gut an, weil dadurch mehr zwischenmenschliche Begegnungen entstehen als dies im massenweisen Durchschleusen von Touristengruppen möglich ist. Via Internet nehmen die Gäste bereits vor der Reise Kontakt mit einem Personal-Guide auf, besprechen mögliche Aktivitäten und können sich so optimal auf den Besuch in Grindelwald vorbereiten. Auch dank dieser Massnahme hat die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Kurztouristen stark zugenommen. Die Chancen, dass diese Besucher wiederkommen und Stammgäste werden, haben sich durch den persönlichen Kontakt nachhaltig enorm erhöht. Dieser Service ergänzt das Angebot der professionellen Anbieter perfekt und bietet einen idealen Einstieg zum Beispiel für anspruchsvollere, geführte Bergtouren. Viele ältere Einheimische bemerken, dass es in Grindelwald viel "lebendiger" geworden ist. Keiner anderen Tourismusdestination in den Alpen ist es besser gelungen, das Problem der Kalten Betten dermassen effizient zu lösen.

365 Tage Hochsaison

Im Gegensatz zu früher haben all die Angebotsverbesserungen schrittweise dazu geführt, dass in Grindelwald eigentlich das ganze Jahr über Hochsaison herrscht. Zwar gibt es nach wie vor absolute Spitzenzeiten wie an Weihnachten/Neujahr, im Februar und Juli. Zeiten gähnender Leere im Zentrum von Grindelwald wie dies oft im November und Mai der Fall war, gibt es nicht mehr. Die Monate April/Mai und November/bis Mitte Dezember wurden zu klassischen Wellnessmonaten, mit ausgebuchten Wellness-Hotels. Nahezu alle Hotels im Zentrum bieten ihren Gästen ein ausgezeichnetes Wellnessangebot und passende Alternativangebote. Weil genau dieses Gästesegment weniger Interesse an Bergbahnen zeigt, wird diese Zeit wie früher für die Revision genutzt. Wintersportler profitieren vom Salzegg-Trainings-Center, dessen Schneesaison trotz wärmerem Klima meistens von Oktober bis Mai dauert. Schnee wird über den Sommer gelagert (richtig gelesen!) und im Oktober als Grundlage wieder neu verteilt. Schneemaschinen ergänzen den Schnee vom letzten Winter und mit sauberer Energie gekülte Abschnitte verhindern das vorzeitige Abtauen. Das Center ersetzt zwar kein Sommerskigebiet, jedoch bietet es gerade in der Vorsaison und Nachsaison eine attraktive Möglichkeit für Training und Skitests in der Jungfrauregion. 

Zentrum Grindelwald verkehrsfrei

Massgeblich am aktuellen Erfolg war auch der Entscheid, das Zentrum von Grindelwald ab Baerplatz bis zum Konress-Saal autofrei zu gestalten. Der komplett umgebaute Baerplatz beherbergt ein unterirdisches Parkhaus, wobei sämtliche Parkplätze über Stromanschluss verfügen. Abgesehen von den Young- und Oldtimern kann sich schliesslich kaum noch jemand ein rein Benzin- oder Dieselbetriebenes Fahrzeuge leisten, was bei einem Literpreis von über 10 Eurofranken (gleich teuer wie eine Schachtel Zigaretten) wohl klar ist. [Nach dem Zusammenbruch des Euros erfolgte 2015 die Währungsunion, welche zur Spaltung der Währung geführt hat]
Oben auf dem Baerplatz befindet sich immer noch der Busterminal, welcher direkt mit dem Bahnhof Grindelwald verbunden ist. Der Individualverkehr verschwindet kurz vor dem Hotel Regina im Tunnel. Untertag biegt der Autofahrer entweder ins Parking Baerplatz oder fährt durch den Tunnel. Innerhalb des Tunnels hat es Abzweigungen zu den Einstellhallen einzelner Hotels. Die frühere Strasse durchs Dorfzentrum ist einer reinen Fussgängerzone gewichen und wurde ähnlich grosszügig gestaltet wie jene von Gstaad. Im Moment wird diskutiert, den Tunnel bis zum Heimatmuseum zu verlängern. Der Bau des Tunnels war übrigens Teil des nationalen Konjunkturförderprogramms anfangs der Zehnerjahre und indirekt der schon fast vergessenen Finanzkrise zu verdanken.

First Faulhorn Bussalp

Die Bahninfrastruktur hat in den vergangenen Jahren durch die Neuausrichtung der Jungfrau International epochale Veränderungen erfahren, die bezogen auf ihre Bedeutung etwa mit dem Bau der Jungfraubahn zu vergleichen ist. Die Firstbahn gibt es nach wie vor und seit der Renovation 2015 gehören die Wartezeiten dank 12er Gondeln wirklich der Vergangenheit an. Revolutionär war der Bau des teilweise unterirdischen Zubringers vom Bahnhof Grindelwald zur Station Bort. Das Prinzip der Bahn entspricht einer unterirdischen Gondelbahn. Die Gondeln werden in der Y-Station Bort ohne Umsteigen in die Firstbahn integriert. Der Betrieb wird automatisch dem Bedarf entsprechend gesteuert, was einerseits die Wartezeiten ausgleicht und anderseits Energie spart. Die Vorteile liegen in der hohen Kapazitätsreserve und der landschaftsschonenden Bauweise.

Eine weitere unterirdische Bahn wurde vom Bachläger auf den Faulhornsattel gebaut. Die Verbindung zum Firstgebiet wurde für den Wintersport durch eine unterirdische Bahn vom Bachläger aufs Widderfeld (Gebiet Oberjoch) sichergestellt. Für den Winterbetrieb konnte damit in schneesicherer Höhe das neue Wintersportgebiet Faulhorn von der First her erschlossen werden, was auch einer Kompensation des reduzierten Skigebiets First (Wegfall Skilift Howald) entsprach. Das Skigebiet östlich vom Faulhorn ist zwar schattig, dafür ausgesprochen schneesicher und ermöglicht eine tolle Abfahrt bis Bort. 2 Jahre später wurde eine gleiche unterirdische Bahn von der Bussalp auf den Faulhornsattel gebaut, die natürlich ganzjährig in Betrieb ist. Von der bahntechnischen Erschliessung profitiert nicht nur das Skigebiet Faulhorn, sondern direkt das neue Superclass Hotel Lazypeak auf dem oder besser gesagt im Faulhorngipfel. Im Winter ist die breite Rodelbahn vom Faulhornsattel bis Bussalp ein Hit, insbesondere der Nachtbetrieb.

Durch die bahntechnische Erschliessung der Bussalp ist ein ausgezeichnetes Ressort entstanden, das von der chinesischen Firma OCT-West erbaut worden ist und auch von ihr betrieben wird. Dieselbe Firma hat bereits 2022 das 5-Sterne Hotel auf dem Gipfel des Faulhorns erbaut. Jahrelang war unklar, was mit der Ruine des abgebrannten Hotels auf dem Faulhorn geschehen soll. Schweizer Investoren waren für einen Neubau aufgrund der fehlenden Erschliessung nicht zu finden. Das neue Erstklasshotel wurde quasi in den Gipfel integriert und ist erst aus der Nähe oder bei Nacht erkennbar. Die Aussenfassade unterscheidet sich farblich und strukturell kaum vom Fels, dient aber gleichzeitig als Solarstromanlage. Energietechnisch läuft das Lazypeak quasi autonom und ist nur für den Notfall ans Stromnetz der Bahn angeschlossen. Ueber die zahlreichen technischen und architektonischen Besonderheiten haben die Medien weltweit berichtet und schon nach wenigen Jahren zählt des Lazypeak zu den exlusivsten Hotels der Welt. Weltweit gibt es kein vergleichbares Hotel mit einer dermassen tollen Aussicht.

Jungfrau-Terminal Schwendi

In diesem Jahr feiern die 2020 eröffneten Seilbahnen von Schwendi-Läger  und Schwendi-Bussalp, welche die Gebiete Faulhorn/First mit dem Männlichengebiet via Lütschinental verbinden, ihr zehnjähriges Bestehen. Die Seilbahnen waren lange umstritten. Bei Schwendi, wenige Kilometer vor Grindelwald besteht nun ein grosses Parkingcenter mit der zugehörigen Infrastruktur wie Mietservice für die Tagestouristen und die Hotelgäste fürs Bussalp-Ressort sowie Firstclass Hotel Lazypeak (Faulhorn). Selbstverständlich bietet das neue Jungfrau-Terminal auch eine Station der BOB, wodurch sowohl die Bahngäste als auch die mit Autos oder Cars angereisten Gäste die beiden Seilbahnstationen komfortabel erreichen. Die Station bietet auch ein Restaurant und einen grosszügigen Raum, wo sich die Touristen bequem umziehen können. Mit diesem für die Region wichtigen Schritt konnte der Verkehr der Tagesgäste nach Grindelwald und die damit verbundenen Immissionen massiv reduziert werden. Auch die heute üblichen Elektrofahrzeuge benötigen Platz und verkehren auch nicht ganz geräuschlos. Die mit Mietservices erweiterbare Tagespauschale beinhaltet die Anlagenbenützung, das Parking und den Strombezug für die E-Cars. 2030 erreichte der via Geothermie gewonnene Strom die Hälfte der Wasserkraft.

Zwischen dem Dorf-Bahnhof und dem Schwendi-Terminal verkehrt das ganze Jahr hindurch eine vollautomatische Shuttlezugskomposition, selbstverständlich kostenlos. Dafür wurde extra ein Zusatzgleis gebaut. Ziel des Schwendi-Terminals war es, das Dorf noch mehr vom Verkehr zu entlasten und dadurch noch attraktiver zu machen. Die Resultate der ersten Betriebsjahre zeigen, dass die Strategie voll aufgegangen ist. Die Besucherfrequenzen des Dorfes haben sich entgegen früheren Befürchtungen ausgezeichnet entwickelt, was sich u.a. in den hohen Mieten der begehrten Ladenstrasse abzeichnet.

Das frühere Nadelöhr zwischen Burglauenen und Lütschental wurde durch einen Tunnel ersetzt, weil die Lütschine 2011 einen zu grossen Teil der Hauptstrasse weggerissen hat. Im erweiterten Gefahrengebiet stufte man das Risiko als zu gross ein und der Kanton hat sich für die witterungsunabhängige und komfortablere Tunnelvariante entschieden. Zusammen mit der ausgebauten A8, der Umfahrung Wilderswil und dem Burglauenentunnel ist nun kaum eine Tourismus-Destination so gut erschlossen wie Grindelwald. Diese Erschliessung war auch nötig, weil das grosse Besucheraufkommen anders nicht zu lösen gewesen wäre.

Das Tal und die Region leben nun mal zu 100 % vom Tourismus, auch die Landwirtschaft und dies erfordert eine gewisse Konzentration in der Nutzung der natürlichen Ressourcen. Geografisch gesehen betrifft es zwar nur einen kleinen Teil der gesamten Fläche. Trotzdem wird die Intensität der Nutzung von vielen Einheimischen und Naturschutzorganisationen mittlerweile so stark kritisiert, dass sich ein Gegengewicht gebildet hat, das nun eine Grenze der Infrastrukturentwicklung gesetzt hat.  

BOB-Station Männlichen

Nachdem 2012 die damaligen Jungfrau-Bahnen die Aktienmehrheit an beiden Männlichen-Bahnen erreichten, entschied die BOB, unterhalb der Rothenegg eine Station Männlichenbahn einzurichten. Dank dieser Massnahme wurde es endlich für die JB attraktiv genug, die Gondelbahn Männlichen von der BOB aus direkt zu erschliessen. Die Zugsreisenden sparen so gegenüber früher fast eine halbe Stunde Reisezeit und können sich sowohl das Umsteigen im Bahnhof Grindelwald als auch den mühsamen Fussmarsch von der Station Grund zur Talstation Männlichen sparen. Von der zusätzlichen Station, an welcher heute sowohl die BOB als auch der Schwendi-Terminal-Express halten, profitieren auch die umliegenden (neuen) Châlets, die Hotels, der Campingplatz und die Besucher des Bodensees, der ja fast an die Station angrenzt.

Neue Bahnprojekte in Wengen und Mürren

Weitere unterirdische Transportanlagen der neuen Bauart wurden in Wengen [Innerwengen – Lauberhorn-Start] und in Mürren [Mürren-Allmendhubel-Schilthornhütte] gebaut. Dank den aus den Basistunneln gewonnenen Erkenntnissen ist es möglich geworden, kleinere Tunnels in auch in Berggebieten viel günstiger zu bauen als dies früher der Fall war. Tunnel sind weitaus unauffälliger als oberirdische Transportanlagen und schonen das grösste Kapital der Region, die wunderbare Landschaft. Zudem sind Tunnels witterungsunabhängig. Der schonende Umgang mit der Landschaft erfordert zwar grosse Investitionen, gilt jedoch nachhaltig als grosses Plus der Jungfrauregion. Der anspruchsvolle Gast erwartet eine Transportinfrastruktur auf Topniveau und ist auch bereit, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen.

Die alpinen Metros verkehren sehr schnell, sind bequem und das integrierte Unterhaltungssystem lässt schon gar kein Tunnelgefühl mehr aufkommen. Kein Vergleich zu früher. Die Verschalung funktioniert auf der Wageninnenseite als ein einziges riesiges Display und lässt den Gast während der Fahrt jede beliebige Landschaft fotorealistisch erleben. Zum Beispiel wähnen sich die Reisenden mal in einem Helikopter, in einem Tunnelaquarium oder wenn es die Mehrheit will auch im Orientexpress. 2030 ist es völlig normal, dass die Menschen mit einer elektronischen Aura ausgerüstet sind, welche mit verschiedenen Systemen kommunizieren. Stellt das Wagensystem fest, dass sich ein grosser Teil der einsteigenden Personen fürs Bergwandern interessiert, präsentiert es während der Fahrt Videos zum Thema, gibt Tipps zur Ausrüstung und weist auf Spezialarrangements der Region hin. Das System erlaubt natürlich auch die Vermittlung von audiovisuellen Informationen übers Gebiet. Partnerdestinationen erhalten eine ausgezeichnete Plattform für PR-Aktivitäten. Bereits seit längerem wird ein erheblicher Teil an Einnahmen aus begleitender Werbung generiert, was angesichts der hohen Investitionen auch nötig ist.

Es kann gut sein, dass wo es von der Topologie und Geologie möglich ist, immer mehr konventionelle Sessel- und Gondelbahnen durch unterirdische Metros ersetzt werden. Die Landschaft wird somit immer mehr von Kabeln und Masten befreit, was dem anspruchsvollen Gast ein starkes Qualitätsplus kommuniziert und von ihm auch verstanden wird. Nur mit Massnahmen in dieser Kategorie kann längerfristig der Spitzenplatz im weltweiten Ranking der Tourismusdestinationen verteidigt oder sogar noch weiter ausgebaut werden. Einzig Topqualität und zwar in allen Bereichen rechtfertigt das zweifellos herrschende Hochpreisimage der Jungfrauregion.

Ach ja, noch ein Detail, das Schilthorn gilt als 3000-er. Zum Jubiliäum wurde über dem Drehrestaurant in exakt 3000 Metern über Meer eine zusätzliche 360-Grad-Aussichtsplattform montiert, die sich in genau 360 Sekunden einmal um die eigene Achse dreht.

Der Lohn der Anstrengungen

Die enormen Anstrengungen bezüglich der Verbesserung der touristischen Angebote in Abstimmung mit einer teilweise sehr rigorosen Schonung der Landschaft haben sich rückblickend auf die letzten zwei Jahrzehnte extrem gelohnt. Der Anfang dieser starken Impulse lag daran, dass die alten Strukturen während der weltweiten Rezession von 2009 – 2012 die Konkurrenzfähigkeit derart in Bedrängnis brachten, dass kurzfristig eine ganze Reihe an Hotels und schliesslich sogar die einst stolzen Jungfraubahnen in finanzielle Schieflage gerieten. Wie schon oft in den Bergregionen waren es Fremde, welche die Situation ausnutzten, ihre Visionen dank ihrer finanziellen Möglichkeiten umzusetzten und damit der Region den nötigen Antrieb verpassten.

Als weitere Eckpfeiler der nachfolgenden und bis dato positiven Entwicklung galten die Gestaltung und Durchsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche zum Beispiel die Bebauung von bisher freiem Terrain mit wenigen Ausnahmen Einhalt boten. Trotzdem oder gerade deshalb konnte sich das einheimische Gewerbe dank Ersatzbauten, umfangreichen Renovationen und der wieder rasant ansteigenden Immobilienpreisen gut behaupten. Dazu beigetragen haben unter anderem die Neubauten des mittlerweile weltbekannten Ressorts auf der Bussalp, dem Bau des weltweit einzigartige Hotel Lazypeak auf dem Faulhorn, der unterirdischen Bahnen und des Tunnels unter der Dorfstrasse mit dem Parkhaus beim Bahnhof. Mit neuartigem Rollmaterial und Doppelspurausbauten werden mittlerweile jährlich über 1 Million Besucher aufs Jungfraujoch befördert.

Im Jahr 2030

Grindelwald zählt im Jahr 2030 fast dreimal so viele Gäste wie zu Beginn des neuen Jahrtausends. Primär wurde diese starke Zunahme dadurch erreicht, dass die Hotels und Appartements praktisch während des ganzen Jahres ausgebucht sind. Neben den neuen Hotels, die anstelle der in die Jahre gekommenen Altbauten entstanden, sorgten auch das Bussalp-Ressort und das weltbekannte Lazypeak auf dem Faulhorn für den starken Anstieg auf jährlich 1.2 Mio Logiernächte. Dank dieser Entwicklung hat es Grindelwald zusammen mit Interlaken, Wengen und Mürren geschafft, dass die Jungfrauregion weltweit wieder zu den besten Destinationen im alpinen Tourismus und zu den Topfifty aller Tourismusorte überhaupt zählt. Wenn man bedenkt, wie extrem rasch die Entwicklung von neuen Destinationen wie in Dubai (Dubailand), Sotchy (Winterolympiade 2010) oder China (Shenzen) vorangeschritten ist, darf man in der Jungfrauregion noch stolzer auf das Erreichte sein. Dank der engen Zusammenarbeit aller Anbieter gelang das Kunststück ein erstklassiges Angebot so knapp zu gestalten, dass es aufgrund der meistens zu grossen Nachfrage in der Regel ausgebucht ist. Es wäre verlockend, in dieser Phase das Angebot kapazitätsmässig weiter auszubauen. Via Verträge einerseits und Einsicht anderseits hat man erkannt, dass ein weiterer Ausbau längerfristig vorallem mit Nachteilen wie Ueberkapazitäten, Ressourcenengpässen, Landschaftsverschleiss, saisonalen Schwankungen (wie früher) und somit Mehrkosten verbunden wäre.

wie viele 50 – 80 Jährige das Bergwandern entdecken

Das Wandern in den Bergen hat wohl auch wegen des Effekts der demografischen Veränderungen stark an Attraktivität zugenommen. Dem Unterhalt von Wanderwegen wird personell fast ebensoviel Aufmerksamkeit gewidmet wie im Winter den Pisten. Die oft überaus starken Niederschläge führen dazu, dass die Instandhaltung der Wanderwege viel aufwändiger ist als früher. Auch die Ansprüche der grössten Kundengruppe, die altersmässig zwischen 60 und 80 liegt, wirkt sich aufs Angebot aus. Gefragt sind viele verschiedene attraktive Rundwege, resp. Höhenwege mit wenig Steigung oder Gefälle. Weil gerade Grindelwald hier dank der hervorragenden Topografie optimale Voraussetzungen bietet, konnte das bestehende Wegnetz mit wenigen Eingriffen an die Bedürfnisse der älteren Kundschaft und den etwas weniger trittfesten Kunden aus dem arabischen, indischen und chinesischen Raum angepasst werden. Natürlich kam auch ein gewisser Druck von den neuen Investoren, welche die Bedürfnisse ihrer Landsleute natürlich noch besser kannten.

Nur wenn man genau hinschaut, fallen einem vom Dorf aus die beiden Hängebrücken über die Schluchten der beiden Grindelwaldgletscher auf. Der Gletscherrückzug hat sich wegen den stärkeren Niederschlägen etwas verlangsamt, erfordert aber wegen den in Bewegung geratenen Seitenmoränen und Felswände stetige Aufmerksamkeit. Entweder stauen sich plötzlich wieder enorme Wassermassen in unberechenbar rasch abfliessenden Seen oder die seitlichen Wände stürzen ein. Für die Touristen ist es eine extrem exklusive Attraktion, die Natur so nah und so wirklich in ihrer Veränderung aus sicherer Entfernung beobachten zu können. Immerhin hat man von den Hängebrücken, die übrigens während der Wintermonate abgebaut und revidiert werden, einen ausgezeichneten Blick in die Gletschterschluchten und hinauf zu den Gletschern. Dank der Hängebrücken können die Wanderer ohne starke Höhenunterschiede zwischen Männlichen (Läger), Alpiglen, Pfingstegg, First und Bussalp zirkulieren.

Einzig zwischen Männlichen (Läger) und Bussalp überwinden sie das Tal mittels der beiden Talseilbahnen, die natürlich auch im Sommer in Betrieb sind. Müde gewordene Touristen können die Höhenwege dieser schönsten Wanderarena der Welt in regelmässigen Abständen per Bahn in Richtung Tal verlassen. Dank einer Spende der Jungfrau-International konnte die einst erste Luftseilbahn Europas, der Wetterhornaufzug originalgetreu aber mit aktueller Sicherheitsausrüstung versehen am Originalstandort nachgebaut werden. Die Bergstation bietet eine der schönsten Aussichten aufs Dorf, liegt direkt am Höhenweg zwischen First und Pfingstegg und bietet selbstverständlich ein Bergrestaurant wie anno dazu mal. Auch die Wanderer auf dem Weg von oder zur Glecksteinhütte besuchen die Nostalgiebeiz gerne. Die neue Talstation wurde als Bergbahn-Museum gestaltet und zeigt die Geschichte der Bergbahnen in der Jungfrauregion.

Neue Wander und Velorouten mit Komfortfaktor

Die spektakulären und mit viel Detailliebe angelegten Wanderwege sind eines der Geheimnisse, weshalb Grindelwald für die grösste Gästegruppe so attraktiv geworden ist. Für Wanderer die noch etwas weiter gehen möchten, hat man 2020 im Firstgebiet unter der Chrinne einen Tunnel erstellt. Der Tunnel bietet einen direkten Zugang zum landschaftlich interessanten Karstgebiet hinter dem Firstgebiet. Ausserdem verkürzt er den Rundweg von der First über die Wart und man kann sich den steilen Abstieg zur Grossen Scheidegg sparen. Die First hat damit einen weiteren attraktiven Höhenrundweg erhalten, der im Rahmen einer lockeren Halbtagestour begangen werden kann.

Einige der beliebtesten Höhenwanderwege bieten auch Velowanderrouten, die vorwiegend von E-Biker befahren werden. Ueberhaupt haben die E-Bikes (Stromvelos) seit 2009 stark zugenommen. Ob Trekkingbikes oder Mountainbikes - die stromunterstützten Bikes erschliessen auch konditionell weniger Geübten einiger der super Bikerstrecken, welche die Jungfrauregion zu bieten hat. Zu Beginn sah man eher die negativen Auswirkungen (Konkurrenz zu den Wanderern, stärkere Belastung der Bergwelt). Doch mit eigenen Strecken für Bikes (mit und ohne Strom) konnten die meisten Probleme gelöst werden. Grindelwald ist zudem sehr beliebt bei bei E-Bike-Treckings. Einige Hotels haben dies erkannt und bieten nebst traditioneller Hotellerie auch Akku-Service, Leihvelos und Gebietsführungen.    

Apropos Blaugletscherli: der letzte Rest dieses glaziologen Bijous zwischen Wildgärst und Scharzhorn verschwand im letzten Supersommer 2028. Der Chrinne-Tunnel dient auch als Schutz vor den häufiger auftretenden Gewittern, ermöglicht konditionell weniger gut trainierten Gästen einen komfortableren Zugang zum Wildgärst, der sie mit einem echten Gipfelerlebnis auf immerhin 2900 m belohnt. Um das Bergwild zu schonen bleibt der Chrinne-Tunnel von November bis Mai geschlossen. Natürlich begehren die Skitourengänger, den Chrinne-Tunnel auch im Winter zu öffnen.

Business-Story

Grindelwald hat sich in den ersten 3 Jahrzehnten des 3. Jahrtausends geradezu sensationell gut entwickelt. Trotz dem teilweise widrigen Umfeld aufgrund der wirtschaftlichen (Weltrezession 2009-2012) und gesellschaftlichen Veränderungen (Demografie) oder gerade dank dessen zählt die Jungfrauregion mit den angrenzenden Gebieten zu den aktuell erfolgreichsten Tourismusdestinationen der Welt. Die natürlichen Vorteile einer unvergleichlich schönen Landschaft, die geografische Einbettung in einer politisch stabilen Region, die hervorragenden Verkehrsanbindungen, die Konzentration der Angebote auf die wirklichen Bedürfnisse einer anspruchsvollen Kundschaft globaler Herkunft, die starke Leistung der einheimischen Bevölkerung und die weltweite Zusammenarbeit liessen die ambitiösen Visionen der Strategen Wirklichkeit werden.

Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass wie in den Anfängen des Tourismus ein grosser Teil des finanziellen Anstosses von aussen gekommen ist. Hätte allerdings die einheimische Bevölkerung diesen Prozess nicht vollumfänglich unterstützt, sähe es heute ganz anders aus. Rückblickend betrachtet entsprach die Stimmung am Anfang des neuen Jahrtausends jener einer satt gewordenen Gesellschaft, die primär auf den Erhalt des Erreichten und mit wenigen Ausnahmen auf absoluter Reduktion der wirtschaftlichen Risiken setzte. Es ging oft nur noch darum, den Alterbatzen abzusichern und so wurde in zu vielen Fällen wichtige Entwicklungsschritte eingefroren oder zumindest - oft auch unter dem Vorwand irgendetwas zu schützen. Die desolate Situation wurde erst sichtbar, als die Reserven wirklich zu Ende gingen und für die nötige Gegenreaktion fehlten die Motivation und die eigenen Mittel definitiv. Abgesehen von positiven Ausnahmen, die zum Beispiel Sport und Wellness erfolgreich verbanden oder sich auf bestimmte Gästegruppen spezialisierten, wurden immer mehr Hotels von auswärtigen Investoren zu aus heutiger Sicht extrem günstigen Konditionen übernommen. Für die von der Wirtschaftskrise gebeutelten Investoren galt der Einstieg in die alpinen Tourismusregionen als einer der neuen Sektoren, die Potenzial und Nachhaltigkeit versprachen. Gesucht waren Locations mit phänomenaler  Landschaft, Sicherheit, gute Verkehrsanbindung und Nachholbedarf.  

Die Talsohle wurde dann erreicht, als die weltweite Rezession den ansonsten schon niedrigen Aktienkurs der Jungfraubahnen Holding nochmals in den Keller sausen liessen. Eine international agierende Investorengruppe aus Asien, die schon andere gigantische Tourismusprojekte umgesetzt hatte, nützte die Gelegenheit und übernahm die Mehrheit der Jungfraubahnen Holding. Den Jungfraubahnen ging es schlussendlich nicht anders als früheren Grossbanken, die heute ebenfalls von internationalen Konglomeraten kontrolliert werden. Am Anfang war der Schock gross und man befürchtete schon das Schlimmste. Doch Tourismusregionen können zum Glück nicht exportiert werden.

Aufbruch 2020

Die neue Strategie der Jungfrau International startete mit der Übernahme einiger Hotels und dem Kauf von weiteren Liegenschaften. Mit OCT West, dem europäischen Ableger einer hauptsächlich chinesischen Gesellschaft, erreichte das Tal die Nachricht, auf der Bussalp ein alpines Tourismus-Ressort und auf dem Faulhorn ein komplett in den Berg integriertes ******Luxushotel zu bauen. Die JFI liess ihre Hotels in Rekordzeit auf den neusten Stand bringen und richtete das Angebot auf die definierten  Kundengruppen aus. Den Wert einer durchmischten Kundschaft aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und Ländern lernten die Strategen bei einer Vielzahl ähnlicher Projekte kennen und umsetzen. Man wollte bewusst keine reine Schicki-Micki oder Ballermann Location, weil es davon schon zu viele gab und diese Clientèle sich zu sehr auf wenige Spitzenzeiten des Jahres konzentrierte. Natürlich waren sich die neuen Besitzer ihrer Macht bewusst und manch einer der früheren Leader musste in gewissen Momenten die Lippen zukneifend die Konsequenzen der neuen Strategien akzeptieren.

Dass ein Teil der neuen Wintersportanlagen wie die im Sommer versenkbaren Lifte Schoneggen und Hohtissel exklusiv den Gästen des Bussalp-Ressorts zur Verfügung stehen, ist für viele Grindelwalder-Fans ein Ärgernis. Aber es entspricht einem internationalen Trend, solche Exklusivitäten zu bieten und schliesslich betrifft es nur einen minimalen Teil der grossen Wintersportarena. Immerhin konnten schon nach wenigen Monaten, man muss sich das mal vorstellen, die Arbeitslosigkeit aus den Jahren der Weltwirtschaftskrise und die Abwanderung gestoppt werden. Die internationalen Gäste geniessen den perfekten Service, der für sie bereits am Flughafen beginnt. Die neuen Strukturen erlauben, Hotellerie und Transportinfrastruktur optimal zu verbinden, um mit erhöhter Flexibilität eine durchwegs sehr hohe Auslastung zu erreichen. Die organisatorische Einbindung in die internationalen Strukturen der Konzerne lässt die Jungfrauregion viel leichter als exklusive Topdestination vermarkten.

Mit jeder in die Jahre gekommenen Liegenschaft weniger, veränderte sich das Dorfbild in positiver Art und bald präsentierte sich Grindelwald wieder wie früher, nur noch viel schöner. Die Flachdächer aus den siebziger Jahren sind fast vollständig verschwunden und das einst hässliche, grauschwarze Dach des Sportzentrums dient heute als begrünte Relaxingzone des Griwaqua, dem Erlebnisbad von Grindelwald. Massgeblich zur Entwicklung halfen die Umgestaltung des Bahnhofs, des Baerplatzes mit dem Parkhaus und der Strassentunnel unter der Hauptstrasse. Im Sommer präsentiert sich die verkehrsfreie Dorfstrasse nun mit einladenden Restaurants, einer grosszügigen Promenade und die neuen Boutiquen locken sogar die Tagestouristen aus Interlaken an (nicht umgekehrt wie früher).

Raumplanung

In einem blieb jedoch die Gemeinde Grindelwald hart. Die bestehenden Landreserven blieben praktisch unverändert. Einzig wo die neuen Gefahren weiteres Bauen von Gebäuden verunmöglichten, wurde an geeigneter Stelle Ersatz geschaffen. Dafür wurde die Bussalp zusammen mit dem Faulhorn als Entwicklungsgebiet für neuste Tourismusinfrastruktur ausgegliedert. Das Ressort auf der Bussalp wurde von verschiedenen Architekten wie ein früheres Bergdorf gestaltet. Die maximal 3 Stockwerke hohen Gebäude sehen von weitem fast aus wie Walsersiedlung. Näher betrachtet sieht man, wie gut sich moderne Architektur im Innenbereich mit bekannten Strukturen nach aussen vereinbaren lässt. Direkt ins Ressort eingebunden sind die Landwirtschaftsbetriebe der Alpschaft und natürlich eine kleine aber sehr rentable Alpkäserei.

Keine Kompromisse wurden auf dem Faulhorn eingegangen. Das mittlerweile weltbekannte Firstclass Hotel Lazypeakwurde direkt in den Berggipfel integriert und ist erst ganz aus der Nähe als Gebäude zu erkennen. Das Innenleben gleicht einem Kreuzfahrtschiff, das irgendwie auf einem Berggipfel gestrandet ist. Die völlig reflexionsfreien Fensterfronten sehen oberflächenmässig nicht nur aus wie Fels, sie sind auch wie Felsen angeordnet. Dank den integrierten Solarzellen produziert das Hotel den grössten Teil der benötigten Energie selber. Nur in der Nacht unterscheidet sich das Hotel von einem gewöhnlichen Berggipfel. Dafür gleicht der Faulhorngipfel am Abend mit seinem Farbenspiel einem funkelnden Edelstein. Die exklusive Lage bietet dem anspruchsvollen eine unbeschreibliche 360 Grad Rundsicht, im Sommer ein angenehmes Klima, im Winter perfekte Wintersportinfrastruktur, aussergewöhnliche Wandermöglichkeiten und Gastronomie in höchster Perfektion. Das Lazypeak zählt zu den wenigen Orten der Welt, wo sich die Reichen und Schönen die Klinke in die Hand geben. Für die Jungfrauregion bedeutet das Lazypeak auch erstklassiges Marketing, von dem schliesslich alle profitieren, auch wenn sich die Wenigsten einen Aufenthalt leisten können.

Kleine Scheidegg / Lauberhorn

Im Gebiet der Kleinen Scheidegg hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten einiges getan, wenn auch optisch von aussen kaum Veränderungen festzustellen sind. Die Strategie auf der Kleinen Scheidegg zielt auf die konsequente Pflege der Nostalgie und des Eigermythos. Die beiden alten Hotels Bellevue und Desalpes bieten Nostalgikern eine Hotellerie wie vor 100 Jahren. Leider decken die Einnahmen gerademal die Betriebskosten. Die laufende Instandhaltung gelingt nur durch regelmässige Beiträge von Sponsoren. Trotzdem oder gerade wegen dieser Originalität gilt die Kleine Scheidegg wie schon immer als Dreh- und Angelpunkt der Jungfrauregion.

Die Modernisierung der Zahnradbahnen wurde bis heute konsequent weitergeführt. Leichtere und noch komfortablere Züge mit Föhnsicherung und der Ausbau auf Doppelspur reduzieren die normale Fahrzeit von Grindelwald Grund bis Kleine Scheidegg auf noch 20 Minuten. Ein Ersatz der Zahnradbahn ist auch 2030 kein Thema. Der vor 18 Jahren modernisierte Lauberhorn Sessellift läuft für Wanderer und Gleitschirmpiloten auch an schönen Sommertagen. Im Winter sind Wartezeiten an den leistungsfähigen 6-er Sessellifte ein Fremdwort und die nötige Schneesicherheit garantieren die äusserst effizienten Beschneiungsanlagen deren erste Generation vor 22 Jahren in Betrieb genommen worden ist.

Der grösste Hit ist aber der weltweit längste Ziprider entlang der legendären Lauberhornabfahrt. Die Bahn von Innerwengen bis zum Lauberhornstart ist seit der Eröffnung des 5 km langen Zipriders ganzjährig in Betrieb. Für action-hungrige Touristen aus aller Welt ist der Lauberhorn-Rider ein absolutes "Must" und nicht wenige übertragen ihren 5-Minuten Downride live via Internet.

Auch im Jubiläumsjahr konnte das 100. Lauberhornrennen, man glaubt es kaum, trotz der häufigen Schneeprobleme im letzten Streckendrittel auf der Originalstrecke durchgeführt werden. Einerseits wird im unteren Teil der Boden leicht gekühlt, anderseits hat die Technologie der Schneeherstellung weiter Fortschritte gemacht, um auch bei Plustemperaturen eine renntaugliche Piste bereitzustellen. Der Werbeeffekt und die Pflege der Tradition sind einfach zu gross, als dass die Wengener auf ihre Lauberhorn Classic verzichten könnten. Aus umwelttechnischer Sicht mag die Aktion ziemlich übertrieben sein. Trotzdem bildet diese Plattform ein ausgezeichnetes Testfeld, neue Verfahren der Schneeherstellung und Pistenerhaltung zu entwickeln und dessen Resultate praxisgerecht zu präsentieren. Diese Anstrengungen hatten auch zur Folge, dass sich führende Unternehmen der Schneeindustrie in Wilderswil niedergelassen haben und interessante Arbeitsplätze bieten. 

Kulturangebot 2030

Grindelwald war ja schon seit jeher bekannt für ein breites Kulturangebot. Von einheimischer Volksmusik, Schlager über Country, Jazz, Rock, Rap, aktuellen Stilrichtungen bis zur Klassik und kirchlichen Konzerten ist alles dabei. Auch Vorträge, Theatervorstellungen und das gute alte Kino finden nach wie vor ein begeistertes Publikum. Gegenüber früher fallen vor allem die gepflegten Clubs auf, die eine grosse Anziehungskraft ausstrahlen und Grindelwald ein ganzjähriges tolles Nachtleben garantieren. Im früheren Kino werden zwar immer noch Filme gezeigt, doch meint man 2030 mit dem Grindelwaldner Kino eher den Rockclub, welcher vom Ambiente her an die früheren Hardrockcafés erinnert. Es kommt immer wieder vor, dass sich Weltstars spontan zu unangekündigten Jamsessions einfinden. Grössere Hotels haben den Trend erkannt und entweder bestehende Lokale auf die neuen Bedürfnisse umgebaut oder gänzlich neue Clublokale entstehen lassen.

Besonders beliebt ist das Grissage mitten im Dorf. Das Grissage ist ein Unterhaltungstempel par excellence. Das verwinkelte Gebäude beherbergt einen grossen Konzertsaal, der umringt ist von mehreren themenorientierten Bars (English Pub mit Whiskybar, Bierquelle, Vinothek, Champagnerbar, Orientalbar, Latinobar, Holdriobar). Weiter gibt es einen erstklassigen Billardclub, Töggeliclub und einen veritablen Gamepark. In den Katakomben des Grissage finden wir die erst um Mitternacht öffnende Untergroundarea mit dem lauten Groungeclub und einer urigen Bunkerbar. Daneben hat es eine Pizzeria, eine 7x24 Stunden Spaghetteria, eine Sushibar und ein gepflegtes französisches Restaurant mit einem Cabaret, das keine Wünsche offen lässt. Sogar eine echte Smokerslounge mit einem riesigen Angebot an Zigarren und erlesenen Tabaksorten zieht ihre Besucher an. Das Grissage hat 7x24 Stunden geöffnet und trotzdem gibt es dank des ausgefeilten Sicherheitskonzepts keinerlei Reklamationen wegen Vandalismus oder Lärm. Die Besucher zirkulieren laufend und es gibt ausser bei Konzerten kaum grössere Massierungen. Das Verkehrskonzept mit der unterirdischen Hauptverkehrsachse, dem Parkhaus am Dorfeingang und den verkehrsfreien Dorfstrasse begünstigen natürlich das problemlose Nebeneinander der unterschiedlichen Bedürfnisse der Gäste.


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Ausblick – 2040 – 2050 - …

Obwohl viele Visionen 2030 Wirklichkeit geworden sind und sich die Jungfrauregion in ihrem weltweit scheinenden Glanz sonnen kann, gilt es weiter vorauszudenken. Beflügelt durch die positive wirtschaftliche Entwicklung sind es vermehrt die Einheimischen, welche sich selbstbewusst engagieren und zusammen mit den internationalen Gesellschaften die Zukunft planen. Der Mix aus gesundem Misstrauen und der Fähigkeit auch über die eigenen Berge hinauszuschauen bewährt sich ausgezeichnet. Die Grindelwaldner Unternehmer sind noch weltoffener geworden und das hat sich auch auf den grössten Teil der ganzen Bevölkerung im Tal übertragen.

Praktisch alle jungen Grindelwaldner und vorallem Grindelwaldnerinnen sind während einigen Jahren im Ausland tätig und holen sich wertvolle Erfahrungen, die sie später nach der Rückkehr in die Jungfrauregion erfolgreich umsetzen. Demnächst eröffnet das renommierte Institut for international Tourism eine Niederlassung in Grindelwald, was eine grosse Ehre für den Ort ist. Angesichts des Erfolgs stellen sich die grössten Anforderungen im massvollen Umgang mit den raumplanerischen Ressourcen. Nach wie vor möchten viele Einheimische die freies Land besitzen, dies einzonen lassen und damit sehr viel Geld verdienen. Diesen Verlockungen gilt es Einhalt zu gebieten, weil nur so der exklusive Charakter des Dorfes und damit der ganzen Landschaft erhalten werden kann. Auch der Neid auf die prosperienden internationalen Gesellschaften kommt hinter vorgehaltener Hand ab und zu hervor. Hier hat man aber rechtzeitig durch steuerliche Massnahmen gesorgt, dass die in der Region erwirtschafteten Gewinne auch in der Region versteuert werden. Die weitere Entwicklung dieses Steuersystems muss äusserst sorgfältig und unabhängig erfolgen.

Die Folgen der Klimaerwärmung werden durch das weitere Abschmelzen der Gletscher längerfristig zu Wasserknappheit führen. Es ist eine grosse Herausforderung, ausreichend grosse Wasserreservoirs landschaftsschonend und trotzdem kosteneffizient zu planen. Immerhin zeigen neuste Klimamodelle, dass sich die Erwärmung mittelfristig verlangsamt und schliesslich sogar ganz stoppt. Die grösste Unsicherheit für Europa bietet aber das Versiegen des Golfstroms, das bis zur nächsten Jahrhundertwende wohl Wirklichkeit wird. Die Folgen für Grindelwald bedeuten je nach Szenario ein Klima wie um 1950, womit die Gletscher wieder leicht wachsen würden. Weil durch das Abschmelzen der Arktis riesige Mengen an Süsswasser in den Nordatlantik fliessen, kommt der Golfstrom schlussendlich für rund 1000 Jahre zum Stillstand. Etwas, das es in der erdgeschichtlichen Vergangenheit schon unzählige Male gegeben hat. Die Klimaerwärmung wird aber dafür sorgen, dass sich die Senkung der Durchschnittstemperatur um rund 4 Grad aufgrund des versiegenden Golfstroms in Europa per Saldo viel weniger dramatisch auswirkt.

Veränderungen und sind sie noch so extrem beinhalten auch immer enorme Chancen, auf die es sich einzustellen lohnt. Schlecht ist jeweils, wenn Veränderungen nur dann zustande kommen, wenn der Leidensdruck das erträglich Mass überschritten hat. In solchen Situationen wird es dann zur Glücksache, richtig zu entscheiden, sofern man überhaupt noch gross eine Wahl hat. Im zweiten Jahrzehnt bei der Bewältigung der Folgen der Weltwirtschaftskrise (2009-2012) hatte man dieses Glück, zum Glück!

Resumée und zurück ins Jahr 2008

Eine Prognose fürs Jahr 2030 auf so breiter Ebene zu stellen ist wie schon gesagt extrem schwierig. Meine Fantasien oder Szenarien mögen zum Teil ein viel zu rosiges Bild zeichnen, OK. Kritiker könnten der Ansicht sein, ich sähe die Region am liebsten als gänzjährigen Rummelplatz für unterbeschäftigte, verwöhnte Erdenbürger. Mein Beitrag soll ein lebendiger Kontrast sein zu den zahlreichen Hiobsbotschaften und Horrorszenarien, welche angeblich in der Zukunft auf uns zukommen sollen. Auf jeden Fall bin ich froh, lieber heute in dieser fantastischen Gegend zu leben als noch vor 150 Jahren, wo Hungersnöte und oft pure Armut die Normalität darstellten. Interessant finde ich, dass bereits in benachbarten Regionen viele der von mir genannten Fiktionen umgesetzt werden oder schon lange bestehen.

Hier ein paar Beispiele umgesetzter oder geplanter Projekte:
• 2010/11 wird das Jahresabonnement Jungfrauregion eingeführt
• 2009 sind in der Schweiz über 50 neue Ferienresorts geplant - Bericht
• 2010 wird über die Spaltung des Euro diskutiert
• Eröffnung einer das Tal überspannenden Hängebrücke über die Massaschlucht (Riederalp–Belalp).
• Neubau der erfolgreichen Trift-Hängebrücke - höher und länger!
• Die alte Trift-Hängebrücke wird oberhalb Göschenen montiert.
• Adelboden will mit niedrigen Steuern (Satz 1.00) einkommensstarke Ferienwohnungsbesitzer zur festen Wohnsitznahme bewegen.
• Investor aus Kuwait wollte in Adelboden 2012 mit dem Alpenbad einen einzigartigen Wellness-Tempel eröffnen. Die Finanzkrise stoppte ihn.
• Zermatt installiert eine neuartige Schneemaschine, welche auch bei höheren Temperaturen funktioniert. Längerfristig kann vielleicht die Lauberhornabfahrt von dieser Technologie profitieren.
• Touristische Erschliessung der Alpbach-Schlucht in Meiringen (Thesen-Thema Wasser).
• Griwaplan's Baupublikation zeigt im Zentrum von Grindelwald neben dem Hotel Schönegg eine Grossüberbauung mit 14 Gebäuden.
• In Graubünden planen mehrere Gemeinden den Bau von Seen (zum Baden, attraktivere Landschaft, Trinkwasserreserve, Hochwasserschutz).
• In Aspen/Colorado engagieren sich Pensionierte als Guides in den Wintersportgebieten
• Attraktive Sommer- oder Jahresabos für eine ganze Region bieten Topdestinationen wie Aspen-USA, Verbier, Zermatt, St. Moritz (Jahr/Sommer), Davos (Jahr/Sommer), Arosa, Flims/Laax u.v.m. - leider nicht die JB
• Neue konzentrierte, architektonisch und funktional moderne Resorts finden wir in Savognin und Laax und in Hasliberg Bidmi wird geplant.
• Ein alpines Grossprojekt in Andermatt unter Führung des ägyptischen Investoren Samih Sawiris startet 2009 in die erste Bauphase.
• Auf dem Männlichen werden für 8 Mio CHF Windturbinen geplant
• Die Kraftwerke Oberhasli KWO werden Automobil-Importeur für ein serienmässig in Norwegen hergestelltes Elektroauto.
• Google entwickelt eine Brille mit Dateneinblendung und integrierter Kamera.

Dass der nötige Schub für grosse Veränderungen ausgerechnet vom Ausland kommen soll, mag aus einheimischer Sicht befremdend wirken. Man darf aber nicht vergessen, dass grosse Innovatoren wie Guyer-Zeller, Erbauer der Jungfraubahn oder der Deutsche Feldmann, Erbauer des Wetterhornaufzugs, sicher keine waschechten Grindelwaldner waren. Auch die Schilthornbahn verdankte ihre Erstellung primär ausländischem Kapital. Oft entstehen grosse Innovationsschritte erst auf der Basis schlichter Notwendigkeit unter der Initiative externer Akteure, welche sowohl über genügend Mittel als auch über Risikobereitschaft und Tatkraft verfügen. Ohne diese Pioniere, die tragischerweise oft von Ihren Innovationen nie profitieren konnten, wäre Grindelwald touristisch gesehen sicher nicht da, wo es heute steht. Es gab auch in der Vergangenheit innovativ agierende Einheimische wie Adolf Gsteiger, Erbauer des Eigertrails oder Hans Schlunegger einer der genialsten Eisenbahningenieure des 20. Jahrhunderts.

Ich habe absolutes Verständnis, wenn hohe Investitionen nur verteilt über mehrere Jahre oder Jahrzehnte realisiert werden. Schliesslich können die Schweizer Bergbahnunternehmen nicht wie in Oesterreich von staatlichen Förderungen jeglicher Art profitieren. Andererseits bieten diese Umstände bei uns auch die Basis für eine gesunde finanzielle Entwicklung. Gerade in Oesterreich begann das böse Erwachen (Beispiel Saalbach-Hinterglemm), weil an vielen Orten die Erträge für die geplante Rückzahlung der Kredite nicht ausreichen. Die Auswirkungen spüren auch die Schweizer Gäste die feststellen, dass die Zeiten günstiger Ferien in Oesterreich besonders im Winter ziemlich vorbei sind. Die rasche Umsetzung massiver Modernisierung und konsequenter Kundenausrichtung hat aber auch seine Vorteile, wie das genannte Beispiel anhand eines NZZ-Artikels zeigt.

Wo allerdings ein breites Kundenbedürfnis vorhanden ist, das mit wenig Aufwand, rasch, kostengünstig rein administrativ realisiert werden könnte und dies von den Jungfraubahnen fast kategorisch abgelehnt wird, dann finde ich es schon problematisch. Ich meine natürlich das Sommerabo, welches freien Zugang zu allen Transportanlagen der Jungfrauregion mit Ausnahme des Jungfraujochs garantiert. Das Sommerabo dürfte sich tariflich in einem von der Bevölkerung vertretbaren Rahmen bewegen. Denkbar wäre auch ein Jahresabo zum Beispiel zu einem Preis von 133 % des Winterabos. Rabatte für Chalet-/Ferienwohnungs-besitzer/Dauermieter sollten abgestuft gewährt werden, um auch die Problematik der kalten Betten zu reduzieren. Was hindert eigentlich die Jungfraubahnen oder die Männlichenbahn, ein solches Abo im Rahmen einer 3-jährigen Pilotphase zu prüfen? Fragt man nach, wird von offizieller Seite unisono diplomatisch abgeblockt: "halt, viel zu politisch".  Es wird immer über das Problem der kalten Betten gejammert. Doch spezielle Anreize für diese in der Regel zu den treusten Besuchern zählende Kundengruppe findet man kaum oder haben Sie schon mal eine Marketingkampagne erlebt, bei welcher auf dieses Kundensegment speziell eingegangen wird?

Die Jungfraubahnen haben sich abgesehen von ein paar zögerlichen Investitionen jahrelang praktisch nur an der Cash-Cow Jungfraujoch orientiert. Im Vergleich zu anderen Wintersportdestinationen verlor das Topggebiet Jungfrauregion bezüglich Anlageninfrastruktur bis vor 2 Jahren kontinuierlich an Attraktivität. Früher lachte man ab den italienischen Stationen. Etwas hart formuliert präsentieren sich 2008 Teile des Berner Oberlandes als aktiv genutztes Seilbahnmuseum. Der Erneuerungsbedarf der Schweizer Bergbahnen beläuft sich mittlerweile auf mehrere Milliarden Franken. Das Umdenken in der Jungfrauregion hat erst vor wenigen Jahren mit der Planung und Realisierung von Modernisierungen im Gebiet der Kleinen Scheidegg wieder begonnen. Das ist wirklich positiv! Trotzdem fehlt zum Beispiel eine Roadmap, die den Ersatz der Lifte Wixi und Fallboden aufzeigt. Nach der Eröffnung des Eigernordwand-Sessellifts (6-er) im Dezember 2009 wird man im Bahnkarussell (Lauberhorn – Arvengarten – Eigergletscher – Wixi - Lauberhorn) sofort das Nadelöhr beim Wixi-Lift haben.

Von der einst geplanten und versprochenen Sesselbahn von "Sandigen Boden" auf die First spricht man leider nicht mehr, obwohl das Rest. First extrem darunter leidet und sich die Gäste auf Schreckfeld manchmal noch am Nachmittag an langen Wartezeiten ärgern. Wenn die Tageskarte ab 2010 um die 60 Franken kostet, sollten längere Wartezeiten auch an Spitzentagen eigentlich kein Thema mehr sein. Vielleicht rücken die Jungfraubahnen demnächst mit dem Investitionsplan 2010/12 heraus und erwähnen den Neubau des alten 2-er Wixi-Lifts und des ultralangsamen Fallboden-Lifts, wer weiss.

Natürlich sind die Grünen mit ProNatura prinzipiell gegen jegliche Beeinträchtigung der Natur durch den Menschen. Diese Haltung hat ihre Berechtigung und verdient Respekt. Dass man sich bei der Beschneiung darauf beschränkt, nicht wie in Italien praktisch jede Piste zu beschneien, finde ich absolut in Ordnung. Trotzdem lebt die Region wirtschaftlich zu 100% von einem guten und umfassend funktionierenden Tourismus. Alte Bahnen sind zu ersetzen und die wenigen Lücken (5) sind zu schliessen. Der naturbelassene Raum in der gesamten Region ist nach wie vor riesengross. Man muss nur mal via Google Earth einen Blick aus der Vogelperspektive wagen und ich bin sicher, dass es abgesehen vom fortschreitenden Gletscherschwund und der ansteigenden Baumgrenze in der Jungfrauregion auch 2030 nicht viel anders aussehen wird als 2008.

Meine Szenarien beschreiben eher die Maximalversion der touristischen Ausnützung. Dass die Jungfraubahnen einfach so von einer ausländischen Gruppe übernommen werden könnte, ist im Moment aufgrund der Aktionärsstruktur (BEKB) fast unmöglich und dem Unternehmen geht es seit Jahren blendend. Dass in der Wirtschaftswelt auch das schier Unmögliche plötzlich eintreten kann, zeigen uns nahe Beispiele wie Swissair oder UBS relativ heftig. In einem bin ich mir aber sicher: Die Weltwirtschaftskrise, die im Moment ein wirtschaftlich starkes Land nach dem anderen erfasst, wird länger andauern und zum Teil zu tiefgreifenden Veränderungen führen. Sie bietet aber auch Chancen, marode Wirtschaftssysteme auszuräumen und alte Technologien durch neue, nachhaltigere zu ersetzen. 2030 werden wir auch wissen, ob Sawiris Tourismusprojekt in Andermatt funktioniert.

Ich gehe davon aus, dass der Wintertourismus zwischen 2010 und 2035 stark von den Babyboomern profitieren wird, weil in diesem Zeitraum die geburtenstarken Jahrgänge 1950 - 1965 im aktiven Pensionsalter sein werden. Für diese Generation ist Wintersport selbstverständlich und sie wird die freie Zeit ausgiebig dazu nützen. Das Sommergeschäft wird ebenfalls stark von der Klimaerwärmung profitieren, weil es die Menschen in den im Sommer extrem heiss gewordenen Regionen schlicht nicht mehr aushalten. In Dubai wird deswegen bereits heute schon der Sand an den Stränden gekühlt. Irgendwann wird man auch dort mit solchem Unsinn aufhören. Sobald weitere Investoren wie Sawiris die wirtschaftlichen Vorteile und Chancen touristischer Einrichtungen in den Alpen entdecken, wird der Boom seinen Lauf nehmen. In Dubai wurden vor kurzem 1,4 Mia Euro in ein einziges Hotelprojekt investiert. Stellen Sie sich vor, was ein Investor mit einer solchen Summe in der Jungfrauregoin anstellen könnte.

Wir dürfen wirklich und wie noch selten gespannt sein, was uns die nächsten Jahre bringen werden. In diesem Sinn wünschen ich allen stillen Leserinnen und Lesern viele tolle Momente in der Jungfrauregion und bis irgendwann auf der Piste, auf einem Singletrail oder in der Luft. 

Manfred Braun

[2008] ENDE